Passantenfrequenzzählungen liefern wichtige Daten für Standortanfragen sowie für die Beurteilung von Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingprozessen und sind so etwas wie der Pulsschlag einer Innenstadt. Auch die Umsätze in Einkaufsstraßen sind eng mit der Frequenz vor den Schaufenstern verknüpft.
1. Ausgangssituation
Die Passantenfrequenz ist somit ein Indikator für die Attraktivität und Anziehungskraft eines Standortes. Gleichzeitig ist sie ein wichtiger Standortfaktor sowohl für die Wahl eines Unternehmensstandortes, als auch zur Ermittlung des Immobilienwerts und der Gewerbemieten. Für viele Einzelhändler ist die Passantenfrequenz sogar das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung eines Standortes. Als Kennzahl gibt sie die Anzahl von Passanten an, die in einem bestimmten Zeitraum einen abgrenzbaren Bereich betreten.
Bei der Bestimmung der Passantenfrequenz werden verschiedene Methoden angewandt. Um die Ergebnisse verschiedener Orte vergleichbar zu machen, müssen die bisher durchgeführten Zählungen idealerweise am selben Wochentag und bei gleichen (Wetter-)Bedingungen durchgeführt werden.
Folgende Verfahren sind im Einsatz:
- Handzählung
- Infrarotsystem
- Lichtschranke
- händische Zählung via Videoaufzeichnung
- Analyse durch Bilderkennungssoftware via Videoaufzeichnung
- Laserschranke
Die verschiedenen Systeme sind in Hinblick auf Datenschutzrichtlinien unbedenklich.
2. Projektziel und -inhalte
Das Projektziel dieses Impulsprojektes von Lemgo Digital ist es, eine kontinuierliche Echtzeitmessung der Passantenfrequenz aufzubauen und damit den Pulsschlag der Innenstadt zu erfassen. Im Vergleich zum heutigen Stand der Technik wird so ein viel realistischeres Lagebild und differenziertere Analysen der Passantenfrequenz ermöglicht. Damit können dann Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingprozesse besser unterstützt und die verschiedenen Einflußfaktoren wie Wetter, Jahreszeit, Veranstaltungen oder Baustellen berücksichtigt werden.
Für eine kontinuierliche Echtzeitmessung scheiden insbesondere die personalintensiven manuellen Verfahren aus. Bei Lemgo Digital versuchen wir möglichst vorhandene Infrastrukturen (z.B. WebCams, öffentliches WLAN etc.) einzubinden, diese auf ihre Eignung hin zu prüfen und die verschiedenen Datenquellen zu einem validen Echtzeit-Lagebild zu fusionieren. Hierbei ist es uns sehr wichtig Transparenz über die eingesetzten Verfahren zu schaffen und das zu keinem Zeitpunkt eine Erhebung von personenbezogenen Daten stattfindet.
2.1 Nutzung von vorhandenen öffentlichen WebCAMs
Die Alte Hansestadt Lemgo betreibt wie viele andere Städte öffentliche WebCAMs, die für alle Interessierten zugänglich sind. Hiermit wird ein Blick in die historische Innenstadt von jedem Ort der Welt aus ermöglicht. Diese Kameras haben folgende Eigenschaften, die den Einsatz aus datenschutzrechtlichen Gründen unbedenklich machen:
- Es handelt sich nicht um Überwachungskameras, sondern um Übersichtsaufnahmen.
- Die Kameras verfügen über eine geringe Auflösung und keine Zoomfunktion, so dass eine Erkenn- und Identifizierbarkeit der abgebildeten Personen ausgeschlossen ist und auch keine anderen personenbezogenen Daten erfasst und übermittelt werden.
- Es handelt es sich um Übersichtsaufnahmen, bei denen die Menschen nur in geringer Größe und nicht in dominierender Position im Bild erfasst werden.
- Es werden keine Bilddaten gespeichert.
Für die Messung der Passantenfrequenz nutzen wir derzeit die öffentliche Webcam am Rathaus in der Mittelstrasse, die Sie unter diesem Link finden: Webcam. Anstelle die Personen händisch zu zählen, führen wir die Zählung durch eine Objekterkennung von einem Computer in Echtzeit automatisiert durch. Der Computer liefert für die spätere Auswertung jede Minute die Anzahl erkannter Objekte mit Zeitstempel.
Vor- und Nachteile des Verfahrens:
- Vorteil: keine zusätzliche Infrastruktur notwendig
- Nachteil: Zählergebnis abhängig von Beleuchtungssituation und Hindernissen; Auflösen von Gruppen durch die geringe Auflösung nicht immer möglich.
Abbildung: Beispiel für die automatische Objekterkennung auf Basis der öffentlichen Webcam an der Mittelstrasse
2.2 Nutzung der Freifunk WLAN-Infrastruktur
Eine weitere Möglichkeit zur qualitativen Erfassung der Personenfrequenz besteht in der Detektion von mobilen Endgeräten, deren WLAN-Funktion eingeschaltet ist. Hierbei werden die von einem WLAN-Accesspoint (WLAN-AP) erkannten mobilen Geräte (z.B. Smartphones) als qualitativer Hinweis auf die Passantenfrequenz verwendet. Dazu nutzen wir das Managementsystem der Freifunk-Initiative (Link) und können so die Anzahl der Mobilgeräte (Clients) an bestimmten WLAN-APs auslesen. Hierbei ist über die öffentlich zugänglichen Schnittstellen von Freifunk kein Rückschluss auf MAC- oder IP-Adressen der erfassten Mobilgeräte und damit personenbezogenen Merkmale möglich.
Vor- und Nachteile des Verfahrens:
- Vorteil: keine zusätzliche Infrastruktur notwendig, unabhängig von Beleuchtung und Formation von Personen
- Nachteil: es werden nur die Passanten erfasst, die ein mobiles Gerät mit eingeschalteter WLAN-Funktion dabei haben. Daher ist keine genaue Passantenfrequenz ermittelbar.
Abbildung: Beispiel für die Anzahl der Clients an dem WLAN-AP unseres Projektbüros von Lemgo Digital als Tagesgang vom 9.10.2018 - 15.10.2018. Gut zu erkennen ist die hohe Anzahl von Besuchern am Samstag und die geringe Anzahl am Sonntag.
2.3 Nutzung von Pyrosensoren
Neben der Nutzung der öffentlichen WebCAM und des WLAN-Systems, setzen wir spezielle Zählsysteme der Firma Eco-Counter an verschiedenen Stellen in der Fußgängerzone ein. Diese verwenden einen auf Passiv-Infrarot-Technik basierenden pyroelektrischen Sensor, der die Körperwärme von Personen erfasst, die an dem Zählsystem vorbeigehen. Durch das Sensorprinzip ist kein Rückschluß auf personenbezogene Merkmale möglich.
Vor- und Nachteile des Verfahrens:
- Vorteil: sehr genaue Erfassung von Personen bei moderater Belegung.
- Nachteil: Hindernisse können Sensor abdecken; Bei vorbeilaufenden Personengruppen bzw. hoher Passantenfrequenz ungenau.
2.4 Vorläufige Bewertung
Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass alle verwendeten Sensortypen ihre Stärken, aber auch Grenzen haben. Je nach Genauigkeitsanforderung für die Passantenzählung ist es daher vorteilhaft mehr als einen Sensortyp einzusetzen und die einzelnen Messwerte zu einem validen Lagebild zu fusionieren. Da wir nicht direkt auf die Sensoren, sondern immer auf ein IT-System zugreifen, das die Sensoren verwaltet, ist die Zuverlässigkeit und Qualität der Datenbereitstellung (Service Level) mit zu berücksichtigen.
Kriterium | WebCAM | WIFI-Netz | Pyrosensor | manuelle Zählung |
Unempfindlich gegenüber Umgebungsbedingungen1) | - | ++ | 0 | + |
Erkennung von Personengruppen | - | + | 0 | + |
Hohe Messgenauigkeit | + | - | ++ | + |
Berücksichtigung von Datenschutz | +2) | +2) | ++ | ++ |
Geringer Investitionsaufwand | 0 | ++3) | 0 | ++ |
Geringe Personalkosten | ++ | ++ | ++ | - |
Onlinefähigkeit | ++ | ++ | ++ | - |
1) z.B. Helligkeit, Gegenstände die den Sensor verdecken ...
2) unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Randbedingungen
3) wenn bereits ein offenes WLAN vorhanden ist
Legende:
++ : sehr gut erfüllt
+ : gut erfüllt
0 : moderat erfüllt
- : nicht gut erfüllt
2.5 Nächste Schritte
Im weiteren Projektverlauf sollen zusätzliche Sensortypen (z.B. Radarbasiert) erprobt, die Stabilität und Qualität der Datenbereitstellung erhöht und entsprechende Datenanalysen durchgeführt werden.
2.6 Beteiligte Projektpartner
- Eco Counter GmbH, Köln
- Fraunhofer-Institut IOSB-INA, Lemgo
Sollten Sie noch Fragen zu diesem Impulsprojekt haben, können Sie uns gerne jederzeit unter This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it. kontaktieren oder in unserem Projektbüro in der Mittelstrasse 62 vorbeischauen.